Verband Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB

Delegiertenversammlung


Die Delegiertenversammlung (DV) ist das höchste Organ des VSPB und wird alle zwei Jahre von einer unserer Sektionen oder dem Verbandssekretariat durchgeführt.

An der Delegiertenversammlung werden zwischen 250 und 300 Vertreter/-innen aus den Sektionen (Delegierte, Ehrenmitglieder und sämtliche Vertreter/-innen des VSPB) sowie zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften teilnehmen.

Delegiertenversammlung 2024

Die 97. Delegiertenversammlung des VSPB fand am 13. und 14. Juni 2024 in Crans-Montana VS statt und wurde von dem VSPB und der Gewerkschaft der Kantonspolizei Wallis organisiert. 

 

Das Organisationskomitee: Christian Zuber, Daniel Fontannaz, Jean-Daniel Dumoulin, Greg Bornet, Jeanne Rouiller, Olivier Glassey, Stéphane Delalay, Marc Roessli, Steeve Bagnoud


Thementag: Führt der Personalmangel zur Verzichtsplanung?

Der Personalmangel bei den Schweizer Polizeikorps ist seit vielen Monaten ein Brennpunkt. Das haben mittlerweile alle erkannt. Polizistinnen und Polizisten verlassen ihren Arbeitgeber. Sie sind frustriert, ausgebrannt oder erhalten ein besseres Angebot. Die Privatwirtschaft lockt mit höheren Gehältern, regulären Arbeitszeiten, verantwortungsvollen Aufgaben. Die benötigte Anzahl Aspirantinnen und Aspiranten für Polizeischulen zu finden wird immer schwieriger, oder wird im schlimmsten Fall, wegen politischer Fehlentscheide gekürzt. Die Rekrutierungskampagnen der Korps haben sich in manchen Kantonen den Zeiten angepasst, führen aber   selten zum erhofften Resultat.

Verschlimmernd kommt hinzu, dass die Politik ständig mehr Aufgaben der Polizei überträgt, ohne dabei dem Personalmangel Rechnung zu tragen. Aktuell gerade der Vorschlag des Nationalrates, welcher ein einheitliches Verbot von Littering mit Bussen bis 300 Franken vorsieht. Wer soll diese Aufgaben ausführen, wenn das nötige Personal nicht gesprochen wird?

Was tun wir also?

Mehrere Polizeikorps haben versucht, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Einige, indem sie einen Teil der Polizeistationen (oft in den Vororten) verkleinert und so das Personal konzentriert haben. Andere, indem sie mehrere Korps miteinander fusioniert haben, um bessere Synergien zu schaffen. Aber eines ist klar: Wenn die Gesamtmenge klein ist, werden am Ende alle darunter leiden, vor allem die Kolleginnen und Kollegen. Schon in der Vergangenheit war die Diskussion über die Übertragung von Polizeidienstleistungen an private Sicherheitsunternehmen ein Thema. Das wird auch in Zukunft so sein, mit allen Fragen der staatlichen Aufgabenhoheit, der Rechenschaftspflicht und der öffentlichen Akzeptanz.

Ein schwieriger Aspekt, der aber zwangsläufig aufgegriffen werden muss, ist die Möglichkeit einer Verzichtsplanung mit einer klaren politisch gestützten Priorisierung der Aufgaben. Diese erhält somit eine viel grössere Bedeutung. So wird zum Beispiel im Kanton Nidwalden diskutiert, die Nachtpatrouillen abzuschaffen. Eine Verzichtsplanung wird starke Auswirkungen auf die Sicherheit der Bevölkerung mit sich ziehen. Wie sicher fühlen sich Herr und Frau Schweizer, wenn im Notfall anstatt nach 15 Minuten, erst nach 60 Minuten jemand zur Hilfe eilen kann? Was, wenn beispielsweise bei kleineren Unfällen mit Sachschaden (wie schon in anderen Nachbarländern) die Polizei nicht mehr ausrücken wird?

Der VSPB führte im Frühling 2023 bei seinen rund 27‘000 Mitgliedern eine Umfrage zur Attraktivität des Polizeiberufes durch. Insgesamt haben 7600 Polizistinnen und Polizisten den Fragebogen ausgefüllt.

Nebst vielen anderen interessanten Aussagen, gaben 85.3% der Teilnehmenden an, dass bei ihrem aktuellen Polizeikorps nicht alle freien Stellen besetzt sind. 
Gemäss 87.2% der Befragten haben ihr Korps ein Rekrutierungsproblem.
75.4% der Teilnehmenden hatten Ende 2022 bis zu 100 Überstunden notiert.

Damit sie ihre jetzige Stelle beibehalten, müssten sich gemäss den Antworten der Lohn, das Arbeitsmodell und die Arbeitsbedingungen ändern.

Dies sind alles Aussagen, welche direkt von der Basis kommen. Das stimmt nachdenklich und zeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht.

Leistungen abbauen innerhalb der Polizei ist der letzte Ausweg. Der akute Personalmangel, die Mehrbelastung durch die Politik und der Spardruck bei den Personalbudgets zwingen uns jedoch, eine Verzichtsplanung in Betracht zu ziehen.


 


Karin Kayser-Frutschi , Regierungsrätin Kanton Nidwalden, Justiz- und Sicherheitsdirektion

In einer Zeit, in der die Aufgabenlast der Polizei kontinuierlich zunimmt, stehen die Sicherheitskräfte vor
einer bedenklichen Herausforderung: einem wachsenden Aufgabenberg bei gleichzeitigem Personalmangel. Vor diesem Hintergrund stellt sich eine drängende Frage: Führt dieser Personalmangel bei den Polizeikräften dazu, dass man auf bestimmte Aufgaben verzichten muss? 

Die Konsequenzen solcher möglicher Verzichtsplanungen werfen jedoch weitreichende Überlegungen auf, die unsere Gesellschaft, die öffentliche Sicherheit und die grundlegende Pflicht der Polizei, für innere Ruhe und Ordnung zu sorgen, betreffen. Welchen Einfluss haben solche Kürzungen auf die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger? Wie beeinflussen sie das tägliche Leben und das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirksamkeit der polizeilichen Arbeit?

Neben dem Personalmangel stellt auch der Spardruck in vielen Kantonen eine Herausforderung dar und beeinflusst die Polizeileistungen sowie die Attraktivität des Polizeiberufs. Die Antwort auf diese Situation beeinträchtigt nicht nur die Effektivität der Polizeiarbeit, sondern auch die Rekrutierung und Bindung qualifizierter Kräfte.

In diesem Kontext ist es wichtig, die möglichen Folgen einer Verzichtsplanung für die Gesellschaft, die öffentliche Sicherheit und die grundlegende Pflicht der Polizei zu analysieren. Nur so können angemessene Strategien entwickelt werden, um die polizeiliche Arbeit trotz des Personalmangels effektiv zu gestalten und die Sicherheit und das Vertrauen in die Institution der Polizei zu gewährleisten.
 


Armin Berchtold, Präsident VSSU

Die Krisenherde in der Welt werden leider immer mehr. Von dieser unsicheren Lage ist natürlich auch die Schweiz nicht verschont, was sich auch in den steigenden Asylzahlen zeigt. Nebst diesem Effekt von aussen ist aber auch in der Schweiz eine Veränderung der Gesellschaft zu spüren. Die Gewaltbereitschaft und teilweise rücksichtsloses Verhalten nehmen bei Sport- oder anderen Anlässen zu. All dies führt zu einer erhöhten Nachfrage und mehr Bedarf an Sicherheit. Um diese sicherzustellen, braucht es eine sehr enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Sicherheit – namentlich zwischen den Blaulichtorganisationen und den privaten Sicherheitsfirmen.

Es ist aber auch wichtig, die Abgrenzung der Kompetenzen und Aufgaben klar und eindeutig zu leben. Als Präsident des VSSU (Verband Schweizerischer SicherheitsdienstleistungsUnternehmen) stehe ich zu 100 Prozent zum Gewaltmonopol. Allerdings ist im Zusammenhang mit der allgemeinen Personalknappheit auch wichtig, über neue Modelle der Zusammenarbeit nachzudenken und Synergien zu nutzen. Es gibt unbestritten Arbeiten, die nicht zwingend von sehr gut ausgebildeten Polizisten und Polizistinnen erbracht werden müssen, sondern privaten Sicherheitskräften übertragen werden könnten. Um dies aber anzugehen, braucht es den Willen der Involvierten und einen offenen und konstruktiven Dialog. Wir von der privaten Sicherheitsbranche sind bereit dazu – somit ist mein Credo «miteinander und nicht gegeneinander».
 


Christian Varone, Kommandant der Kantonspolizei Wallis

Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) widmet seinen Thementag während der Delegiertenversammlung dem Thema «Führt der Personalmangel zur Verzichtsplanung?» und weist damit auf eine wichtige gesellschaftliche Herausforderung hin. Es geht dabei um die Frage, ob die Ausübung der öffentlichen Gewalt delegiert werden kann oder nicht. Mit anderen Worten: Wird der akute Mangel an Personal und finanziellen Mitteln zu einem teilweisen Verzicht auf die Aufgaben führen, die der Polizei übertragen sind? 

Wie Sie wissen, bilden die Anwendung öffentlicher Gewalt und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch die Polizei das grundlegende Sicherheitsfundament jeder Demokratie. Sie sind die Garanten für den Rechtsstaat. Diesem Ideal steht heute jedoch eine höchst problematische Realität gegenüber, nämlich deutlich sinkende Budgets für die Polizei und auch eine erhebliche Schwierigkeit, Personal einzustellen. Es ist eine Tatsache, dass das wirtschaftliche Leben und die Realität des Arbeitsmarktes den Staat und damit auch die Polizeikräfte dazu zwingen werden, sich im Sicherheitsbereich neu zu erfinden. Das Tabu, bestimmte Aufgaben an private Organisationen zu delegieren, muss daher offen angesprochen werden. 

Für mich persönlich wird die Herausforderung in Zukunft darin bestehen, klar zwischen den hoheitlichen Aufgaben im Sicherheitsbereich, die nicht delegiert werden können, und den Tätigkeiten, die nicht zwingend von Polizisten übernommen werden müssen, zu unterscheiden. 

Jenseits der idealistischen Vision, dass die Polizei immer noch für alles zuständig ist, wird es in Zukunft darum gehen, den Mut zu haben, das Prinzip «Mut zur Lücke» anzuwenden, um die Schweiz weiterhin als sicheres und lebenswertes Land zu erhalten.
 


Emmanuel Fivaz, Vizepräsident VSPB

Niemand kann bestreiten, dass in den Polizeikorps, von einigen Ausnahmen abgesehen, Personalmangel herrscht. Immer mehr Einsätze zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Papierkram, der nicht weniger wird, Überstunden, die sich summieren ... All das führt letztendlich in einen Teufelskreis, der für die Polizistinnen und Polizisten anstrengend und entmutigend ist.

Mögliche Lösungen wurden bereits erdacht und manchmal erfolgreich umgesetzt, wie die Verbesserung der Synergien innerhalb von Polizeikorps oder auf innerkantonaler Ebene oder sogar die Schaffung von regionalen oder einheitlichen Polizeikräften.

Ein Weg, der bislang noch nie konkret untersucht wurde, könnte eine Neubewertung der der Polizei zugewiesenen Aufgaben sein. Gibt es Aufgaben, die an andere staatliche Stellen oder private Partner delegiert oder sogar ganz aufgegeben werden können?

Wäre es denkbar, keine Polizeistreife mehr zu entsenden, um den Ladendiebstahl von ein paar Lebensmitteln festzustellen, den eine Person begangen hat, die vom Personal eines Geschäfts angesprochen wurde? Wie würde die Bevölkerung darüber denken?

Der Verzicht auf bestimmte Aufgaben darf kein Tabu mehr sein. Es geht nicht nur darum, den Beruf mit seinen vielen Facetten für zukünftige Polizisten/-innen attraktiv zu halten, sondern auch darum, dass die Kollegen/-innen, die im Dienst sind, den Beruf nicht verlassen!

Es geht auch darum, über alle Möglichkeiten nachzudenken, wie die Personalverwaltung verbessert und mögliche Doppelarbeit vermieden werden kann. Können für bestimmte Aufgaben mehr Assistenten für öffentliche Sicherheit eingesetzt werden oder kann die elektronische Anzeigenaufnahme noch weiter verbessert werden? Sollte man akzeptieren, dass die Behörden bestimmte Aufgaben an private Sicherheitsdienste vergeben?
 



 

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